Am 31.10.2024 konnten wir mit Dr. Andreas Wolfrum einen ehemaligen Mitarbeiter der Deutschen Botschaft in Peking zu unserer Veranstaltung „Sicherheitspolitische & militärbürokratische Perspektiven auf die Volksrepublik China & den Indopazifik“ gewinnen. Dieser erläuterte die zentralen Funktionen strategischer Ansätze in der Sicherheitspolitik und ging auf das amerikanische Verständnis der chinesischen Strategie ein. Zudem wurden die Deutsche Nationale Sicherheitsstrategie, die Leitlinien zum Indo-Pazifik sowie die China-Strategie der Bundesregierung thematisiert und im Vortrag und der folgenden Diskussion diskutiert.
So begann unser Redner seinen Vortrag mit einem Einblick in die aktuellen sicherheitspolitischen Entwicklungen und das chinesische Selbstverständnis. Dabei betonte dieser auch, dass sich China gegenüber Russland technisch, militärisch und wirtschaftlich überlegen fühle. So nutzte Dr. Wolfrum als eindrucksvolle Metapher für Chinas wachsende Überlegenheit das Beispiel eines sowjetischen Flugzeugträgers, der heute in einem chinesischen Freizeitpark als Unterhaltungsstätte dient. Dort wird russisches Ballett vorgeführt – ein Symbol einstiger sowjetischer Macht, das nun zur Belustigung chinesischer Mittelstandsmänner dient und die Verschiebung der Machtverhältnisse zugunsten Chinas verdeutlicht. Mit Blick auf Chinas führte unser Redner weiter aus, dass Präsident Xi Jinping in sicherheitspolitischen und wirtschaftlichen Fragen eine „freie Hand“ zu haben scheint und aufgrund fehlender demokratischer Kontrollmechanismen Strategien effizienter gestalten kann. Ein interessanter Vergleich wurde zwischen der amerikanischen und der chinesischen Strategie gezogen. Während die USA Chinas Strategie als hochgradig geplant und geheim erachten – mit dem Ziel, die USA als hegemoniale Macht abzulösen – wirke China in der Außendarstellung geschlossen. Dr. Wolfrum betonte jedoch, dass unter der Oberfläche erhebliche interne Differenzen bestünden, wie etwa die Herausforderungen durch die Belt & Road-Initiative, die intern als Belastung durch leerstehende Megastädte, unvollendete Bauprojekte und die derzeitige Krise im Immobilienmarkt wahrgenommen werden. In Bezug auf Deutschland ging Dr. Wolfrum auf die Nationale Sicherheitsstrategie ein, welche in der Fachgruppe hitzig diskutiert wurde. Viele empfanden sie als unspezifisch und ohne konkrete Ziele. Die Leitlinien für den Indo-Pazifik bildeten schließlich den Rahmen für die China-Strategie der Europäischen Union, die jedoch laut Dr. Wolfrum noch zu viele Defizite aufweist. China werde oft als „weißer Elefant im Raum“ betrachtet, dem mit militärischer Zusammenarbeit und Wertestrategien begegnet werden solle. Die „Sinatra-Doktrin“, die es den Ländern erlaubt, eigene Wege zu gehen, sei im Indo-Pazifik jedoch schwer umzusetzen. Zudem überschätze die EU ihre Macht in der Region, und die internen Differenzen unter den Partnerstaaten, die im Umgang mit China eine gemeinsame Strategie erheblich erschweren.
Insgesamt möchten wir uns bei unserem Gast ganz herzlich für die spannenden Einblicke in die chinesische Sicherheits- und Außenpolitik bedanken. Sein Vortrag bot nicht nur eine differenzierte Analyse der aktuellen geopolitischen Dynamiken, sondern ermöglichte auch einen anregenden Austausch unter den Teilnehmenden und einer lebhaften Diskussion.