Korruption als Gefahr für Sicherheit und Frieden

„Korruption steht mittlerweile überall auf der Tagesordnung“, so Peter Conze, Gründungs- und Vorstandsmitglied von Transparency International. Dabei spricht er nicht etwa das andauernde Bestehen von Korruption, sondern vielmehr Bestrebungen zu deren Überwindung an.
Dass das Wissen um und die Bestrebungen gegen Korruption nicht schon immer Teil von NGO-Arbeit und institutionellen Bestrebungen war, machte der langjährige Afrika-Direktor der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) während seines Vortrages und der anschließenden Diskussion deutlich. So erkläre sich die Gründung von Transparency International im Jahre 1993 vor dem Hintergrund einer Situation von grassierender Korruption, vor der man „die Augen nicht mehr verschließen“ konnte. Auch in Deutschland sei Korruption lange ein Tabuthema gewesen und der heutigen Beschäftigung mit Ursachen und Folgen ging ein langer Prozess des „Aufbrechens“ zuvor einher.
Klar wurde, dass Korruption eine Vielzahl von Implikationen für staatliche und gesellschaftliche Kontexte mit sich bringt. Zu den vielen Problemen, die im Zusammenhang mit Korruption stehen, gehört beispielsweise Armut. Aus eben der Kombination von Armut und Korruption entstehe ein „Teufelskreis“, so Peter Conze. Länder mit hoher Korruptionswahrnehmung weisen oftmals keine homogenen Gesellschaften auf und seien durch große Unterschiede zwischen Armut und Reichtum gekennzeichnet. Aber auch ethnische und religiöse Solidaritäten, in bereits durch Armut gekennzeichneten Rahmenbedingungen, hätten Einfluss auf das Fortbestehen von Korruption bis in Regierungskreise.
Auch der Zusammenhang von Korruption und Terrorismus spielten im Vortrag eine Rolle. Korruption wird dabei als Narrativ zum Werkzeug, ja zur Waffe von Extremisten, die sich als Gegenpol zu „korrupten“ Machthabern darstellen. Wie in Afghanistan, wo die Taliban den Vorwurf der Korruption gegen die Regierung verwenden, um sich selbst als attraktiver Gegenspieler zu bewerben.. Der Umstand, dass Versprechungen nicht erfüllt werden und die grundlegenden Aufgaben der Staates durch Korruption behindert werden, werde als Propaganda zur Rekrutierung genutzt, machte Conze klar.
Doch Korruption in diesem Zusammenhang, also als eine Frage sicherheitspolitischer Natur, habe lange nicht im Fokus des Diskurses gestanden. Neben Afghanistan hätten jedoch auch die Erfahrungen im Irak genau das klargemacht. Die Armee des Landes selbst wurde, bzw. wird noch immer, von Korruption in Mitleidenschaft gezogen. Sogenannte „Ghost-Soldiers“, also Soldaten, die formal in der Armee sein sollten, jedoch in Wirklichkeit ihre Waffen oftmals bereits verkauft haben und anderen Tätigkeiten nachgehen, erhalten nach wie vor Sold durch den Staat. Der erfolgreiche Angriff des „Islamischen Staates“ auf die irakische Stadt Mossul im Jahr 2014, ließe sich beispielsweise auf eben solche korrupten Strukturen innerhalb der Armee zurückführen, erklärte Peter Conze.
„Was tun?“ stellte sich am Ende des Vortrages und in der gemeinsamen Diskussion als zentrale Frage heraus. Herr Conze wies auf die Bedeutung von koordinierter Entwicklungszusammenarbeit hin. An eben dieser mangle es häufig. Die breite Entwicklung eines Staates, also Funktionieren von Justiz und Polizei, eine freie Presse, sowie eine intakte Zivilgesellschaft gelte es zu fördern. Geschieht dies nicht, wird Korruption in all ihren Erscheinungsformen und Problemen die sie mit sich bringt, noch lange ein Thema bleiben. Reformen im Sicherheitssektor allerdings sind mitunter die schwierigsten. Transparenz sei das beste Mittel gegen Korruption. Aber unter dem Deckmantel der nationalen Sicherheit werde eben diese oftmals verweigert. Diese Frage sei nach wie vor heikel, die Einführung genormter Verwaltungs-Software könne aber zum Beispiel bei der Besoldung von „Ghost-Soldiers“ Abhilfe schaffen und sei ein erster Schritt in die richtige Richtung.
„Man kann von einer Traditionswende für die Bundeswehr sprechen“

„Es ist der politische Wille, die Eigentradition der Bundeswehr zu stärken“, stellte Philipp Fritz mit Blick auf den neuen Traditionserlass fest. Der Ethnologe und Vorsitzende der Fachgruppe für außen- und sicherheitspolitische Themen (FAUST) nahm sich bei seinem Vortrag an der Goethe-Universität Frankfurt nicht nur dem Traditionserlass an, sondern erklärte auch, was für deutschen Soldatinnen und Soldaten tatsächlich traditions- und sinnstiftend ist.
Die Diskussion darüber, was zukünftig für die Bundeswehr als Traditionsgrundlage dienen kann, führte im vergangenen Jahr zu einer überaus kontrovers geführten Debatte in und außerhalb der Bundeswehr. Dabei spielte laut Fritz die „Einsatzkultur, die ihren Ursprung in den Auslandseinsätzen der Bundeswehr hat“, eine ganz besondere Rolle. Die Einsatzerfahrungen würden durch die Soldatinnen und Soldaten an die Heimatstandorte in Deutschland zurückgetragen und dort großen Einfluss auf die Binnenkultur der deutschen Streitkräfte nehmen.
In der Stärkung der eigenen Militärgeschichte nach 1955 sieht Fritz eine "Traditionswende", bezweifelt aber gleichzeitig, dass alleinig der Erfahrungsschatz der Bundeswehr den Soldatinnen und Soldaten als Traditionsgrundlage genügen wird. „In Fragen der Tradition wird es sicherlich auch für den Organisationsbereich Kommando Cyber- und Informationsraum spannend“, lautet die Prognose von Fritz. Er gibt aber auch zu bedenken: „Gerade genuin militärisch konnotierte Erfahrungswerte sind für die Mehrzahl der Militärangehörigen von besonderer Bedeutung und bieten wirkmächtige Erzählungen ‒ insbesondere für die kämpfende Truppe.“ Fritz meint hier insbesondere die Einsatz- und Gefechtserfahrungen aus den Auslandseinsätzen.
Die Vergangenheit habe gezeigt, dass in Ermangelung eines Traditionsangebotes, welches sich auch auf umfängliche Kampfhandlungen beziehen kann, Teile der Truppe unter einem apolitischen, funktionalen Aspekt problematische Bezüge zur Wehrmacht hergestellt hätten, so der Vorsitzende von FAUST. In diesem Zusammenhang verweist der Referent auch wieder auf den neuen Traditionserlass: „In Einzelfällen können auch Angehörige anderer ehemaliger deutscher Armeen als Vorbilder dienen“. Dabei sehe der Erlass allerdings eine genaue Abwägung zwischen persönlicher Schuld und besonderen Verdiensten vor.
Zwar hat das Verteidigungsministerium bereits ein umfangreiches Begleitprogramm und diverse Handreichungen zur Traditionspflege in der Bundeswehr angekündigt, aber wie und ob der neue Erlass letztendlich im dienstlichen Alltag sichtbar wird, liegt laut Fritz nun in erster Linie bei den Soldatinnen und Soldaten, den zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie den Reservisten der Bundeswehr selbst.
Weiterführende Info zum Thema "Traditionserlass": Das neue ADLAS-Aktuell zum Traditionserlass können Sie hier kostenfrei als .pdf-Datei herunterladen.
"Afghanistan wird nicht in den Autoritarismus zurückfallen!"


Wie demokratisch ist Afghanistan mehr als 16 Jahre nach der US-geführten Intervention infolge von 09/11? Dieser Frage widmete sich Haqmal Daudzai, in seinem Vortrag "The struggling Democracy in Afghan Localties", den er am 25. Januar 2018 bei der Frankfurter Fachgruppe für außen- und sicherheitspolitische Themen (FAUST) hielt.
„Die Qualität der Demokratie in Afghanistan variiert zwischen der nationalen Ebene und den Provinzen“, befand Daudzai, der an Willy Brandt School of Public Policy in Erfurt promoviert und zur friedensstiftenden Wirkung des demokratischen Systems in Afghanistan forscht. „Während auf der nationalen Ebene bereits drei Präsidentschaftswahlen sowie friedliche Machtwechsel stattgefunden haben, verharren zahlreiche Provinzgouverneure mit eigenen Privatarmeen noch immer seit 2001 im Amt.“ Das demokratische System werde auf diese Weise von Warlords, die über demokratisch gewählte Ämter verfügen, gewissermaßen unterminiert. In der Feldforschung für seine Dissertation hatte Daudzai die sechs größten afghanischen Provinzen bereist und dort Gespräche mit Amtsträgern und Machteliten geführt, um deren Perzeption des Demokratisierungsprozesses in Erfahrung zu bringen.
Sein Fazit dabei: Insbesondere Wahlen sind inzwischen ein sehr anerkanntes Instrument der Demokratie und tragen durchaus zum politischen Wettbewerb bei. Probleme bestünden jedoch im Bereich der Redefreiheit oder der Möglichkeit, offen Kritik an der Regierung zu äußern. Vom Ideal einer westlichen liberalen Demokratie sei man also noch entfernt: „Die Menschen in Afghanistan haben überhaupt kein Problem mit der Demokratie, aber bisher versteht jeder etwas anderes unter dem Konzept.“
Auch auf der Ebene des politischen Systems sieht Daudzai Defizite. So habe die US-Intervention 2001 zwar die Demokratie ins Land gebracht, jedoch mit einem hohen Grad an Zentralisierung zu Gunsten der Regierung in Kabul. Diese Struktur steht vor allem seitens der nicht-paschtunischen Bevölkerung in der Kritik, welche sich mehr föderale Elemente wünsche. Auch Daudzai sieht einen positiven Zusammenhang zwischen der Dezentralisierung des Systems und einer Steigerung der Demokratiequalität auf lokaler Ebene: „Ein kompletter Föderalismus würde zwar Chaos bringen und das Land fragmentieren. Mehr Kompetenzen für die Provinzebene bei stärkeren checks und balances sowie stärkeren Verwaltungsstrukturen könnten jedoch die Demokratie stärken“, folgerte der Referent.
In der Diskussion im Anschluss an den Vortrag thematisierten die anwesenden Teilnehmer insbesondere den Aspekt der Legitimität der Provinzgouverneure: „Wie kann man überhaupt Warlords wählen lassen?“ „Indem man die Realität anerkennt“, antwortete Daudzai, der anfügte: „nach 40 Jahren unterschiedlicher Kriege hat hier jeder Blut an den Händen.“ Dies könne auch eine demokratische Verfassung nicht einfach beseitigen.
Daudzai zog aber auch positive Schlüsse aus dem afghanischen Demokratisierungsprozess: „Man sieht, dass sich eine demokratische Kultur entwickelt.“ So umfassten neugegründete lokale Räte mittlerweile auch Frauen. „Selbst die Warlords haben mir in meinen Interviews gesagt, dass die Demokratie für sie eine Realität geworden sei und sie mehr und mehr die Ansprüche und Wünsche der Bevölkerung ernst nehmen müssen, um in offizielle Ämter wiedergewählt zu werden.“ So sei es insgesamt offen wohin genau sich das politische System Afghanistans in der Zukunft entwickele. Daudzai resümierte für sich: „Afghanistan wird nicht in den Autoritarismus zurückfallen!“
Hintergrundgespräch mit Michael Gahler MdEP am 11.01.2018



Wie steht es um die „Zukunft der europäischen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik“? Dieser Frage sind wir gemeinsam mit dem Europaabgeordneten Michael Gahler am 11.01.2018 in der Goethe-Universität Frankfurt detailliert auf den Grund gegangen.
Die insgesamt 32 Teilnehmer ließen sich die Gelegenheit nicht nehmen ihre Fragen an Michael Gahler zu richten, der aufgrund seiner Funktionen im Auswärtigen Ausschuss sowie dem Unterausschuss für Sicherheit und Verteidigung, als Experte auf diesem Gebiet gelten darf.
Grundlage des Vortrags war der erst im Dezember 2017 vom Europäischen Parlament getroffene Beschluss, die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) der EU zu einer Europäischen Sicherheits- und Verteidigungsunion weiterzuentwickeln.
Nach einem informativen Input-Vortrag des Europaabgeordneten über den jahrelangen Entscheidungsprozess der europäischen Mitgliedsstaaten einer weiteren Integration der GSVP zuzustimmen, ging es zur Diskussion der Fragen über. Thematische Schwerpunkte bildeten u.a. Fragen zur Rolle des „Brexit“ für die Weiterentwicklung der GSVP, zum notwendigen politischen Willen der Mitgliedsstaaten bei der weiteren Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen sowie zur prinzipiellen Eignung der EU als zukünftigem sicherheits- und verteidigungspolitischem Akteur.
Auf die Frage nach möglichen Doppelstrukturen von GSVP und NATO hatte der Europaabgeordnete eine deutliche Antwort. Diese stünden „nicht in Konkurrenz zueinander“, vielmehr seien sie „komplementär“, da die EU „im Gegensatz zur NATO auch zivile Konfliktmechanismen“ habe. Zudem betonte er mehrfach, dass es bei einer weiteren Integration der GSVP nicht um „die Europäische Armee, sondern um die bessere Verzahnung nationaler Armeen“ gehe, mit dem Ziel, „gemeinsam das wenige Geld, das wir haben, besser aus[zu]geben“.
Während des Hintergrundgesprächs herrschte eine gute und konstruktive Atmosphäre, sodass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Veranstaltung im Anschluss ein durchweg positives Feedback gaben. Der Abend sei „sehr interessant“, „gelungen“ und „lehrreich“ gewesen.
An dieser Stelle möchten wir uns als Fachgruppe für außen- und sicherheitspolitische Themen (FAUST) noch einmal bei Michael Gahler dafür bedanken, dass er sich - trotz eines vollen Terminkalenders - die Zeit genommen hat für diesen Abend aus Brüssel anzureisen und sich den kritischen Fragen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu stellen.